Von Shakespeare bis heute:
Zum Tod der Schauspielerin Brigitte Peters
Mehr als 40 Jahre war Brigitte Peters Ensemblemitglied des Mecklenburgischen Staatstheaters in Schwerin. Sie wurde 76 Jahre alt.
Das ist eine Nachricht, von der man immer denkt, die kommt noch lange nicht. War doch die Schauspielerin Brigitte Peters noch von enormer Spiellust. Sie starb einen Tag nach ihrem 76.
Geburtstag.
Schweriner Ensemblemitglied von 1972 bis 2014
Von 1972 bis 2014 gehörte sie dem Mecklenburgischen Staatstheater an, wo die Ophelia ihre erste große Rolle war. In der legendären Schroth-Ära spielte sie die Eboli, war in den
Antike-Entdeckungen die Andromache und sang auch im subversiven Volksliederabend in der auslaufenden DDR.
Später dann offenbarte sie ihre Ausdruckskraft in einem Solo als Mechthild in „Nichts Schöneres“ von Oliver Bukowski. Im ihrem Seelen-Keller das Bildnis einer in der Ehe gedemütigten Frau, die
sich tödlich am Manne rächt. Peters zeigte keine düstere Einsame, sondern im Wechsel von Schmerz, Energie, Lakonie und Witz eine Alleinstehende voller Lebensmut oder Lebenswut. Womit sie zu den
Mülheimer Theatertagen eingeladen wurde und daraufhin eine Nominierung zur Schauspielerin des Jahres 1998 erhielt.
KlangWert/werk3 ab 2014
Ein solistischer Paukenschlag kam von ihr auch nach dem
Abschied aus dem Ensemble des Staatstheaters auf der privaten Schweriner Bühne werk3: „Diven sterben einsam“. In der Regie von Dirk Audehm das Porträt einer alternden Schauspielerin, die mit
ihren Kollegen, Regisseuren, Politikern und Bettpartnern abrechnet und zudem mit jungen Konkurrentinnen: „Heute reicht es, wenn man ein Model ist“. Unter emotionalem Hochdruck schminkte sie
voller Ironie ein Bühnen-Dasein ab vor begeistertem Publikum. In Zusammenarbeit mit Dirk Audehm präsentierte sie jüngst noch einen „Faust“-Spaß im werk3, wo sie gefeiert wurde.
Brigitte Peters hat uns in Rollen von Shakespeare, Tschechow und Hauptmann bis zur Gegenwartsdramatik oft überrascht. Nun ein letztes, trauriges Mal. Tatsächlich ist sie, wie jenes großes Solo
prophezeite, einsam gestorben. Ganz leise. Zu früh. (Manfred Zelt / 25.3.2025)
SVZ: Januar 2014
Die Wände schwarz und die Wanne schwarz gekachelt. Hier geht eine schwarzhumorige Beziehungskomödie vor, die sich zwischen Komik und Absurdität zuspitzt zur Farce, in der die gegenseitigen
Vorwürfe, gern mit Pistole unterstützt, übergehen in Tortenwürfe, die sich wendet zur Tragigroteske, bei der letztlich ein Beil mitspielt. „Kirche des erotischen Elends“ titelt eine neue
Produktion im Werk3 des Schweriner Theaters. Ein Mann geht so lange unheimlich fremd, bis seine Frau sich ebenfalls offen gleicherart bedient. Kein Amen, kein Happy End.
Regisseur Christoph Bornmüller inszeniert seine Mischung aus Paarkonflikten nicht als „Zweikampf in gepflegter Prosa“, wie
es bei Erich Kästner heißt, sondern in einer so ungehemmten wie tabulosen Worteschlacht auf wildem Erregungslevel. Es ist real und irreal ein Inferno der Entblößung. Mit knappen Momenten der
Besinnung, Glaubens-Sprüchen, mit Videobildern, Bluesklängen, Klangflächen, Lichttupfern von der Discokugel.
Es ist, erinnernd an Edward Albees „Virginia Woolf“, eine rasende Walpurgisnacht im Badezimmer. Sonja Isemer und Amadeus Köhli
reiten teuflisch gestimmt zum Ehekriegsgipfel. Sie hochgradig hysterisch, aggressiv, voller Hohn und Spott und plötzlich wechselnd in den Sehnsuchtsmodus oder in Zärtlichkeit, die Brutalität
vorbereitet. Er ein Typ von ungetrübtem Selbstbewusstsein, anklagend, zynisch, mal herrisch, mal jämmerlich, witzig, wenn er einen Satz abbricht und mit den Augen weiterspricht. Das Publikum ist
von dem explosiven Duett heftig amüsiert. Der Berliner Schauspielerkollege Thorsten Merten lobt: „Toll gemacht.“
Werk3 arbeitet seit 2008 und mischt in der winzigen Bühnenkneipe im Schweriner Domwinkel Kleinkunst mit schrägem Theater, Unterhaltung mit Schauspieler-Experimenten. Da gibt es anspruchsvolle
Lesungen, attraktive Songs, frechen Spaß. Ein Podium für kreative Schöpfungen von Kafka bis Kabarett. Hier können Künstler loslassen, was für die große Bühne nicht geeignet ist. Unter Leitung von
Chefdramaturg Ralph Reichel hat Werk3 ein Stückchen Großstadt in der kleinen Landeshauptstadt installiert. Ein Upgrade für die Provinz, das
schon mal bis zu 4500 Zuschauer im Jahr begeistert und auch weithin Resonanz hat. Der Liederabend „In der Bar zum Crocodil“ mit Teresa Weißbach und John R. Carlson war in Berlin und mit
Ausschnitten in Chicago eingeladen. Programme wie „Alles ich“ von Andreas Lembcke oder Jochen Fahrs „Volker“ laufen seit Jahren. Hier ist ein Ort, der auch junge Leute lockt.
Im ministeriell bestellten, kunstfernen Gutachten, das Schwerins Theater allein buchhalterisch untersucht und Einschränkung definiert, steht Werk3 als Opfer.
„Also geschieht es. Die Verträge sind gekündigt. Doch das bedeutet nicht das Aus. Ab Sommer wird Werk3 einen neuen Betreiber haben“, tröstet Reichel. Jürgen Groth, der die Gastronomie in der
Theaterkneipe gepachtet hat und auch die Lounge „Klangwert“ nebenan führt, übernimmt. „In der Kooperation möchte ich das Angebot noch durch freie Theatergruppen anreichern. Und ab September soll
es dienstags auch Kammerkino geben“, plant Groth.
„Wir haben versucht“, bestätigt Ralph Reichel, „gemeinsam ein Modell zu finden, um den Charakter von Werk3 weitgehend zu erhalten. Die Theaterleute werden weiterhin das Programm spartenoffen
gestalten. Dabei wird die Eigenverantwortung der Akteure steigen, die dann einnahmebeteiligt sind, von ihrem Anteil aber auch die Gebühren für Texte etwa bezahlen müssen. Natürlich wird es
schwer, auch mal eine Produktion, die nicht so gut läuft, die man aber aus künstlerischen Gründen verteidigen möchte, zu halten. Klassischer Fall: Diese Freiheit der Kunst wird durch die Ökonomie
beschnitten.“ Reichel klingt verhalten optimistisch.
Was bedeutet Werk3 den Schauspielern? Christoph Bornmüller meint: „Diese Spielstätte bedeutet eine Art Luxus für uns, denn sie ist ein Platz, an dem wir uns ausprobieren, wo wir experimentieren
können. Das ist die Qualität dieses Ortes, und die ist wichtig für künstlerische Entwicklung. Wir hoffen, dass alle Versprechungen für die Zukunft eingelöst werden. Sonst wäre es ein großer
Verlust. “
Manfred Zelt